- jainistische Kunst
- jainịstische Kunst[dʒaɪ-], die durch den Jainismus geprägte Kunst, die in Nordindien ungefähr gleichzeitig mit dem Buddhismus entstand. Die Entwicklung der jainistischen Kunst verlief lange Zeit parallel zur buddhistischen Kunst, wie auch die religiösen Ziele und Praktiken Gemeinsamkeiten aufweisen. Rituelles Zentrum waren reliefgeschmückte Stupas und aufgesockelte, mit Glückszeichen versehene Ayagapattas (steinerne Zeremonialplatten), auf denen seit dem 1. Jahrhundert die Tirthankaras mit dem Ehrentitel Jaina (Sanskrit »Sieger«) in menschlicher Gestalt abgebildet wurden. Die seit der Mathurakunst der Kushanazeit bekannten großformatigen Kultfiguren zeigen die Jainas stets nackt in Meditationssitz oder steifer Standpose mit Kräusellocken oder langsträhnigem Asketenhaar (Rishabhanatha) und dem Srivatzeichen auf der Brust. Zur Darstellung eines Jaina gehören außerdem überlange Arme und andere Merkmale einer »übernatürlichen Anatomie«. Die jainistische Ikonographie ist äußerst gleichförmig, so sind die 24 Tirthankaras oft nur anhand winziger Symbolzeichen (chinas) auf den Sockeln der Figuren voneinander zu unterscheiden. Zu den hervorragendsten jainistischen Bildwerken zählen Bronzen des 7. Jahrhunderts aus Akota (Gujarat) mit Darstellungen der Tirthankaras, der Göttin Ambika u. a. (heute größtenteils im Museum von Vadodara, Gujarat).Die frühesten heute bekannten Klosteranlagen des Jainismus sind die Höhlen von Khandagiri-Udayagiri (1. Jahrhundert) in Orissa. Später waren v. a. Tempelanlagen in den jainistischen Gebieten in Südindien (Sravana Belgola, dort mit der monolithischen Kolossalfigur des Asketen Gommata aus dem 10. Jahrhundert) und in Westindien, in Gujarat und Rajasthan (Dilwara) und die Tempelanlagen von Satrunjaya und Girnar Zentren jainistischer Kunst. Noch heute werden v. a. in Rajasthan jainistische Kultbilder in traditioneller Arbeitsweise aus dem lokalen weißen Marmor hergestellt.Die jainistische Miniaturmalerei entwickelte sich etwa vom 11. Jahrhundert an in Gujarat und Rajasthan, aber auch in Teilen Zentral- und Südindiens in Form von Buchmalerei. Illustriert werden jainistische Texte auf länglichen, querformatigen Palmblättern, deren hochformatige oder quadratische Malerei nur etwa ein Achtel der Seite ausmacht. Die hölzernen Manuskriptdeckel wurden dagegen formatfüllend illustriert. Im 14. Jahrhundert wurden v. a. zwei Texte, das Kalpasutra mit den Biographien der Jainas, und die Kalakacharya-Katha, eine halbhistorische Erzählung, illustriert. Ab dem 14. Jahrhundert wurden die Palmblätter durch Papier ersetzt, wobei sich das Format änderte. Der Stil hebt sich deutlich von dem der späteren indischen Miniaturmalerei ab; die Darstellungen sind streng stilisiert. Die scharfen schwarzen Umrisslinien der meist in leuchtendem Blau, Rot oder Gold ausgefüllten Figuren erscheinen fast eckig. Die Körper sind meist in Dreiviertelansicht wiedergegeben, die Gesichter dagegen fast ins Profil gewendet. Letztere fallen durch spitze Nasen und das über die Profillinie hervortretende Auge der dem Betrachter abgewandten Gesichtshälfte auf. Die schattenspielähnlichen Umrisslinien und der immer wiederkehrende Dreiklang der Farben lassen die Illustrationen wie Ornamente erscheinen.
Universal-Lexikon. 2012.